Ich bin diesen Winter in St. Moritz gelandet und wenn ich schon einmal hier bin, so habe ich mich auf die Suche nach Top oft he World gemacht, dem Slogan, mit dem St. Moritz seit 1987 wirbt. Ich bin nach St. Moritz zum Wintersport gekommen und ich glaube, genau da liegt der Unterschied. Wer Skifahren will, ist hier top aufgehoben. Das Skigebiet ein Traum, die Pisten hervorragend präpariert, die Vernetzung der Liftanlagen optimal und überall Parkplätze. Auf 3057 Metern eröffnet sich ein Bergpanorama, das einem die Schönheit der Welt vor Augen führt. Man muss innehalten und traut seinen Augen kaum. Sprachlos.
Dann ist da aber noch dieses andere St. Moritz. Das St. Moritz der Luxusmarken, der teuren Autos, der Luxus Hotels und der Nerzmäntel. Täglich spuckt die Rhätische Bahn eine Menge Touristen aus, die St. Moritz schauen kommen und ein wenig enttäuscht wieder nach Hause fahren. Denn St. Moritz ist stiller als erwartet, Après-Ski sucht man vergeblich. Auch die Partys und schillernde Feste finden unbemerkt statt oder meist überhaupt nicht mehr. St. Moritz ist auch ein wenig das Dorf der geschlossenen Fensterläden. Viele der fast unbezahlbaren Wohnungen und Häuser stehen die meiste Zeit im Jahr leer. Das Dorf wirkt auch in der Hauptsaison aktuell eher ausgestorben.
Erfreulich – es gibt aktuell einen spannenden Trend zu beobachten. Die Suche nach dem Einfachen hat begonnen. Wer schon alles hat, muss vielleicht wieder von vorne anfangen.
St. Moritz wirkt müde unter seiner schillernden Erwartung. Der Frankenkurs fast eine Art Todesstoss für ein Dorf, das nur ein paar Monate im Jahr zum Leben erwacht. Ein Dorf, in dem es aktuell kein Gedränge mehr gibt. Doch jetzt scheint sich etwas Neues in St. Moritz zu entwickeln. Die Suche nach Einfachheit hat begonnen. Ein gutes Beispiel dafür – La Baracca. Eine Baubaracke umfunktioniert zu einem Restaurant. Hier ist es laut, eng und die Speisen kommen in Schüsseln. Herrlich unkompliziert und weit weg vom glänzenden St. Moritz. Auf dem Teller Hörnli und andere einfache Gerichte. Gezahlt wird bar und nach dem Essen gibt es Party. So einfach und so gut. Ohne Reservation geht gar nichts. Dass der Wirt die Tische zwei Mal besetzte, finde ich persönlich etwas ungemütlich. Aber sonst ein Top Spot.
Ein zweites tolles Beispiel ist die Bamyan Club Bar in St. Moritz. Ein Pop-up Bar mit Erfolg. Eingerichtet ohne Architekten und Innendesigner und die Leute lieben es. Vielleicht ist St. Moritz schon müde geworden von dem Glanz der letzten Jahre und sollte das werden was es ist, ein Top Skigebiet.
Gastronomie und Gastfreundschaft haben sich in St. Moritz bis jetzt nicht gefunden. Das Hindernis heisst Charme. Gastfreundschaft und Charme kann man nicht lernen, das ist in eine Art Kulturgut, da hat St. Moritz einiges aufzuholen. Die Restaurants sind teuer, der Service mangelhaft, auf den Hütten ist es ähnlich. Lange Wartezeiten, das Servicepersonal aus der ganzen Welt erinnert eher an die Bedienung in einem Bahnhofsrestaurant. Bei Wienerli für 14 CHF würde man sich als kleine Draufgabe dann doch auch ein Lächeln wünschen.
Orientierungslosigkeit, unscharfe Positionierung und Kritikresistenz wird der Tourismusorganisation vorgeworfen. Mit Recht. Ob der Slogan «Top of the World» noch treffend ist, bezweifle ich, für das Skigebiet eindeutig ja, der Rest braucht dringend frischen Wind. Die Exklusivität von St. Moritz wirkt momentan etwas ermattet.
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